Alkoholfreie Weine - nur ein Trend oder doch ein geschmackvolles Top-Thema?

Liebe Weinfreunde,

sie sind inzwischen nicht mehr zu übersehen: überall findet und sieht man alkoholfreie Weine und -Sekte, die von den Händlern selbstbewusst ausgestellt werden, wo sie vor noch gar nicht allzu langer Zeit eher "versteckt" wurden. Aber was hat sich geändert? Warum spricht gerade jeder über das Thema "alkoholfreie Weine"? Und die wichtigste Frage: wie schmecken sie (heute)? 

Für alle, die sich bewusst mit dem Thema auseinandersetzen oder sich einfach für die nächste Wein-Diskussion einen Überblick über die Lage verschaffen möchten, bieten wir heute ein paar Fakten und Zahlen - und natürlich ein paar Empfehlungen aus unserer stetig wachsenden Auswahl an "Spaß im Glas ohne Alkohol".

 

Eine Überraschung der ganz besonderen Art gab es in diesem Jahr auf der ProWein für viele Weinliebhaber. "Hat denn eigentlich irgendjemand auch noch normalen Wein getrunken?" "Überall liest man nur alkoholfrei, alkoholfrei, alkoholfrei - gab es denn nichts anderes?" So konnte man nicht wenige Meinungen in den sozialen Medien über die wohl größte Weinmesse lesen.

Das Thema "alkoholfreie Weine/Sekte" erhitzt auch lange nach Ende der ProWein noch immer die Gemüter. Aber warum eigentlich? Wo wir doch alle wissen, dass das eh nur ein Nischen-Produkt für ein paar Wenige ist, die aus unterschiedlichen Gründen nichts alkoholisches trinken dürfen - oder wollen. So ist es doch - oder etwa doch nicht?!?

Den Aufhänger unseres Blog-Beitrags haben wir natürlich bewusst provokativ formuliert - und hoffen auf ähnliche Reaktionen, wir bei unserem ebenso provokativ angestoßenen Thema "Sind Süßweintrinker vielleicht die wahren Weinkenner". In Bezug auf die "No-Alcohol"-Produkte im Bereich Wein und Sekt gibt es nicht selten die Meinung, dass man lieber Säfte statt alkoholfreien Wein trinken solle - oder besser ganz verzichten sollte. Aber was ist dran? Und warum lässt sich dieses Thema wunderbar mit der (Erfolgs)Geschichte der Bio-Weine vergleichen?

 

Werfen wir einen Blick zurück ... 

... und zwar ins Jahr 2009. Damals bekamen die Bio-Weine auf der ProWein-Messe eine ganz große Bühne geboten. Als Trend-Thema ausgerufen waren damals 120 Bio-Anbieter anzutreffen (bei insgesamt ca. 3.000 teilnehmenden Winzern/Weingütern). Weil Nachfrage und Anbaufläche im Aufschwung waren, trat die ProWein damals nach eigener Darstellung "proaktiv" auf und präsentierte dieses Thema einem großen Fachpublikum.
2010 waren schon 150 Anbieter mit Bio-Wein/-Schaumwein dabei. 2023 über 300. Der Anteil der Anbieter lag damit bei knapp 10% aller Messe- Aussteller.Jetzt kommt der Knackpunkt: der Marktanteil für Bioweine lag 2009 bei nur rund 1%! Im Jahr 2015 waren es dann schon 5% - bis heute blieb dieser Anteil aber etwa gleich.

Bio-Weine? Für viele eine bewusste Entscheidung!

Der Anteil der Bioweine ist stark gestiegen. Auch streng traditionelle (um nicht zu sagen: konservative) Regionen wie Bordeaux denken langsam um. Ein Bio-Label ist für viele Kunden inzwischen ein wichtiger Grund, einen Wein zu kaufen - oder eben nicht. Trotzdem ist der Marktanteil der Bio-Weine am gesamten Wein-Umsatz erstaunlicherweise nicht sehr hoch. 

Bio-Weine sind die Antwort auf den Wunsch, eine Alternative zu konventionell in Großproduktion hergestellten Weinen zu haben, die "back to the roots" möglichst natürlich, umweltschonend und ohne den Einsatz von Chemie im Weinberg oder Weinkeller entstehen. Damit gelangten auch ganz außergewöhnliche Weine ins Rampenlicht, denken wir nur an die "Orange Wines", die diesen Gedanken nochmal auf einem ganz anderen, hohen Niveau präsentieren. Diese werden nicht geklärt und ohne Schwefel praktisch völlig naturbelassen vinifiziert werden. Sie schmecken damit fast immer sehr individuell, häufiger leicht oxidativ mit einer Erinnerung an Sherry, bieten aber ein überaus spannendes Geschmacks-Erlebnis.


Die ersten Weine mit einem echtem Bio-Siegel, die man vor 25 Jahren bei deutschen Weinhändlern kaufen konnte, kamen nicht direkt von Winzern, sondern aus größeren Genossenschaften. Das Korsett der Bio-Weine war so eng gefasst, dass bekannte Winzer und Weingüter den Kosten-Nutzen-Effekt noch nicht sahen. Entsprechend waren die ersten Bio-Weine, diplomatisch gesagt, eine ganz eigene Sache für sich. Nicht gerade geschmackvoll, nicht vergleichbar mit "normalen" Weinen, kratzig, die Rotweine sehr staubig, die Weißweine oft säurebeladen und fast schon muffelig.
Diese Weine verschwanden sehr schnell wieder aus den Regalen - und sie machten Platz für eine neue Generation von Bio-Wein. Frischer, klarer, authentischer, typischer für die jeweilige Region und Rebsorte. Für viele Winzer in Deutschland ist und war ein naturnaher, umweltschonender Ausbau immer schon fester Bestandteil der Philosophie. Durch ein Umdenken bei den Konsumenten nehmen deshalb international immer mehr Winzer Aufwand und Kosten in Kauf, um ein Bio-Siegel auf der Flasche präsentieren zu können. In Zeiten des Internets lassen sich diese Dinge immer besser und schneller und transparent kommunizieren. Mehr zum Thema Bio im Weinbau lesen Sie hier.

 

Heute machen wir in Verkaufsgesprächen oft nur noch den Hinweis, dass der Wein "sogar" aus Biologischem Anbau stammt, was dann wohlwollend (zusätzlich) zur Kenntniss genommen wird. Hauptsache, der Geschmack stimmt.

 

 
Und ähnlich, wie die Äußerungen und Einschätzungen damals bezüglich der Bio-Weine ausfielen, erleben wir heute das Gleiche mit dem Thema "alkoholfrei". Natürlich gibt es große Unterschiede. So kann man zum Beispiel keine direkte Parallele in Bezug auf die Vinifikation dieser beiden Wein-Gruppen herstellen.


 

"Und warum ist alkoholfrei heute so sehr Trend?"

Die ProWein 2024 bot diesem Thema (mal wieder proaktiv) eine größere Bühne. In einer eigenen Halle präsentierten mehr als 43 Aussteller ihre alkoholfreien Weine und Sekte. Der Markanteil liegt im Augenblick zwar auch nur bei ca. 1%, aber der Absatz ist allein im letzten Jahr um stolze 27% gestiegen - so stark wie kein anderes Segment im Weinbereich. Es gibt also doch Kunden und Käufer für diese Produkte - aber wer genau soll das sein?
 
Natürlich gibt es eine Hauptzielgruppe, die in den letzten Jahren immer schon auf diese Produkte zugegriffen hat und sich über die zunehmend steigende Qualität und Auswahl freut. Wer wegen der Einnahme von Medikamenten oder wegen Schwangerschaft nichts trinken darf, greift häufiger zu alkoholfreien Alternativen. Aber auch bei Feierlichkeiten, bei denen gerade für Autofahrer das Thema "Alkohol am Steuer" sehr wichtig ist, spielen alkoholfreie Sektsorten und - Weine eine immer größere Rolle.
 
Gleichzeitig ist an ganz aktuellen Trend-Umfragen eine (für uns erschreckende) Richtung zu erkennen: der Verzicht auf Alkohol! Und das nicht etwa aus ideologischen oder gesundheitlichen Gründen. Es wird bewusst auf Alkohol verzichtet. Zusätzlich sinkt der Weinkonsum in allen Bevölkerungsschichten zunehmend. Lagen wir noch in Deutschland vor gar nicht allzu langer Zeit bei knapp 24 Liter pro Kopf, so sind wir aktuell "nur noch" bei etwas mehr als 20 Liter. Bei einer großen Umfrage gaben außerdem fast 37% aller Befragten an, nie Wein zu trinken. Und als Grund nannten 43%: "Wein schmeckt nicht". Nur für 7% war es der Preis, nur 7% finden Wein zu kompliziert oder "versnobt". 

Die Produkte werden für eine aktuelle und moderne Zielgruppe noch viel interessanter!

Die Erzeuger, Fachmedien und Fachhändler (wie wir) sehen die Hauptzielgruppe in einem ganz anderen Bereich. Diese Konsumenten sind ca. 25 bis 37 Jahre alt, finanziell durchaus in der Lage und bereit, auch mehr als den üblichen Durschnittspreis für Wein zu bezahlen, mit deutlicher Affinität zu gesünderer und leichterer Ernährung, aktiv in Sachen Sport und gerne auch Freund von Weinen, die nicht zu säurebetont sind.

Gerade der letzte Punkt könnte Sie - ja, genau Sie - ganz persönlich auch ansprechen.
Denn aktuell setzen sich fruchtbetonte Weine gegenüber den traditionellen und eher trockenen Weinen immer stärker bei den Konsumenten durch. Leichtigkeit und Spritzigkeit für den Sommer, ein fruchtbetonter Geschmack, der gerne auch als Basis für die Bowle dienen kann, wenn die Gäste zur Gartenfeier kommen. Dazu kommt: alkoholfreie Weine haben nur rund ein Drittel an Kalorien von "herkömmlichen" Weinen. Das sind doch alles Gründe, um jetzt zuzugreifen - oder doch nicht??

"Ja, aber die schmecken doch nicht!" wird dann ganz oft als Kontrapunkt genannt. Und ganz ehrlich: man schmeckt tatsächlich einen Qualitäts-Unterschied zwischen günstigen Vertretern im Alkoholfrei-Segment und den oft etwas teureren Winzer-Weinen. Aber das betrifft ja bekannterweise sowohl Weine mit als auch ohne Alkohol. Die Verfahren zum Ent-Alkoholsieren sind sehr unterschiedlich und teilweise auch sehr aufwendig, was natürlich gleichzeitig mit höheren Kosten verbunden ist. Damit stehen wir heute an einem ähnlichen Punkt wie die Bio-Weine zu Beginn ihrer Erfolgs-Geschichte. Die geschmacklich positiven Erfahrungen der letzten beiden Jahre wie auch das positive Echo der Jury bei Verkostungen von Fachzeitschriften wiest auf eine eindeutige Richtung hin: "alkoholfrei" ist viel mehr als nur ein kurzzeitiger Trend!

Der größte "Fehler", den man als Kritiker dieser Linie machen kann, ist, seinen Bordeaux Grand Cru oder den Chianti Classico geschmacklich alkoholfrei zu finden. Da sind wir noch nicht. Das gibt´s noch nicht. Vielmehr muß man die alkoholfreien Weine als eine Sparte von Wein mit einem ganz eigenen Charakter und Geschmack sehen und akzeptieren. Der Geschmack muß passen, ob der Wein jetzt Alkohol hat oder nicht. Aber ich kann ja auch einen Primitivo-Fan in den seltensten Fällen von einem Bordeaux überzeugen - oder umgekehrt.

Jeder hat eben seinen eigenen Geschmack. Und wer fruchtbetonte, süffige und leichte Weine bevorzugt, der wird in diesem Bereich sehr schnell fündig und wird auch begeistert sein. Für alle, die eher feinherbe und leicht säurebetonte Weine mögen, wächst der Markt schnell. So haben wir gerade ganz neu auch die "Kolonne Null"-Serie mit 2 Weißweinen (Riesling, Verdejo), einem Provence-Rosé und einem spanischen Rotwein mit samtigen Tanninen im Programm. Und siehe da: selbst große Skeptiker sind beeindruckt.
 

Unser Fazit zum Thema:

Die Schwierigkeiten, mit denen die Bio-Weine früher zu kämpfen hatten, scheinen sich heute bei der Gruppe der alkoholfreien Weine/Sekte zu wiederholen. Tatsache ist, dass das Angebot immer größer wird und die Qualitäten immer besser werden. Profitieren werden am Ende die, die neugierig genug sind und bei diesen Produkten ihren persönlichen Geschmack widerfinden. Es wird die Zeit kommen, in der man "vergisst", dass diese Weine keinen Alkohol haben und sie einfach wegen ihrem Geschmack gekauft werden.

 

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