Was erwartet uns im Wein-Jahr 2024?

"Jedes Jahr im Januar treffen sich eine handvoll ausgewählter Personen in einem kleinen, verschlafenen Örtchen in der Toskana. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt, sind Journalisten, Winzer, Händler und definitiv Wein-Liebhaber.

So treffen sie sich immer am gleichen Tisch, plaudern über ihre Erfahrungen des letzten Jahres und führen dabei eine muntere, vinophile Diskussion. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass bei diesem Treffen natürlich auch Wein getrunken wird. Viel Wein.

Und das lockert bekanntlich die Zunge und befreit den auch mitunter den philosophischen Geist."

(Alle Gespräche, Personen und Gegebenheiten in dem jetzt folgenden Kammerspiel wurden von uns natürlich frei erfunden. Schenken Sie sich am Besten gleich ein Glas Wein ein. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen.)  

 

Noch recht früh am Tag, irgendwo in der Toskana ...

... reibt Luigi gedankenverloren seine Weingläser. In der Tür seiner kleinen Weinbar hat er das Schild auf "Chiusi" gedreht. Heute bleibt der Eingang geschlossen. Denn wie jedes Jahr zu dieser Zeit erwartet er eine kleine Gesellschaft, die durch den Hinter-Eingang kommen und schweigend zum Tisch in der Mitte des Lokals gehen wird, um dann nach vollzähligem Erscheinen und dem ersten Wein im Glas eine längere und muntere Diskussionsrunde zu beginnen.

"Scusa! Entschuldigung, liebe Freunde. Der Verkehr war mörderisch. Man möchte meinen, ganz Italien sei auf den Beinen." Carlo schnaufte, ließ sich schwer auf den schmalen Bast-Stuhl fallen und schnippte mit den Fingern in Richtung des Kellners. "Keine Sorge, der Custoza ist noch nicht warm." grinste sein Gegenüber. Wie immer hatte der sein Aufnahmegerät in der Brusttasche seines Hemdes stecken. Man wusste ja nie, wann man dem nächsten, spannenden Gast für ein Interview gegenüber saß. Das bekannte Wein-Journal, für das er schrieb, behauptete von sich, immer die pikantesten Themen der Weinwelt von morgen schon heute präsentieren zu können. Oliver, der ihm jetzt zuprostete, war daran sicherlich nicht ganz unbeteiligt.

"Schön, dass wir jetzt vollzählig sind und dass wir es auch heute wieder geschafft haben, uns hier zu treffen." sagte der elegant gekleidete Herr zu seiner Linken mit sonorer Stimme und einem deutlichen, französischen Akzent. Pedro, der ein kleines Weingut in Portugal sein Eigen nannte, zwinkerte ihm freundlich zu. "Es wundert mich, dass du überhaupt zu uns stoßen konntest, mein guter Henri. Man hört ja so allerhand aus deinem Bordeaux." Henri winkte nur kurz ab und trank rasch einen Schluck. Er kräuselte die tiefen Falten auf seiner Stirn und auch seine Augen erzählten von deutlich mehr schlaflosen Nächten als gut für ihn waren. Schließlich war er auch nicht mehr der Jüngste. "Die Lage ist ernst. Fürwahr. Und keiner weiß so richtig, wie es weitergeht." sagte er und schwenkte sein Glas, als hätte er einen guten Bordeaux darin.  

"Wie schlimm ist die Lage denn wirklich?"

... fragte Oliver, und man konnte den Puls schneller schlagen spüren. Der Journalist war einer Story auf der Spur. "Falscher Mehltau. Er ist einfach überall. Die Ernten sind in Gefahr, vor allem unser großartiger Merlot. Könnt Ihr Euch vorstellen, was das bedeutet?" Die anderen schwiegen. "Und dann das schleppende Geschäft. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Selbst unsere größeren Château haben Schwierigkeiten, ihre Weine vernünftig zu verkaufen. Und die Jungen von heute haben einfach noch keine Bordeaux-Liebe im Herzen."  

"Immernoch Folgen von Corona?" knurrte Carlo. Henri wog bedächtig den Kopf hin und her. "Teilweise ja. Die Menschen haben in dieser Zeit andere Weine für sich entdeckt, getrunken und lieben gelernt. Und ja, auch Weine, die deutlich günstiger als Bordeaux sind. Keine Frage, lange nicht so elegant wie unsere, aber dennoch ..." Er winkte wieder ab und leerte sein Glas. Pedro warf einen Blick auf die leere Flasche und gab ein Zeichen. Schlurfend kam der Kellner zum Tisch, hielt ihm einen Chianti unter die Nase und füllte nach einem zustimmenden Nicken die leeren Rotweingläser.

"Aber eins ist klar. Wein wird heute anders getrunken als früher." meinte Pedro und fuchtelte aufgeregt mit den Händen in der Luft. "Wie meinst du das?" erwiderte Oliver und nahm einen tiefen Schluck. "Also ich trinke meinen Wein noch immer aus einem ordentlichen Weinglas." fügte er noch amüsiert dazu. "Oh, das ist ja schon viel wert." erwiderte Pedro und machte dann ein ernsteres Gesicht. "Ich habe viel Geld in meinen Weinkeller gesteckt und auch neue Holzfässer angeschafft. Dem Wein tut das gut. Ich liebe meinen Wein."

"Aber das ist doch großartig. So soll es doch sein." meinte Carlo und prostete ihm zu, bevor er das Glas in einem Zug leerte und direkt nachfüllte. Pedro schüttelte den Kopf. "Aber die Weine verkaufen sich nicht gut. Nicht alle Händler wollen Wein aus Portugal bei sich verkaufen. Und die, die es tun, erzählen mir, wie schwer sie es damit haben." "Und woran liegt es? Zuviel Holz? Das können ja viele heute nicht mehr gut leiden." meinte Oliver. "Das ist mit ein Grund, ja. Die Weine sind gut. Super. Die Qualität ist top. Diese Weine sind wie Kinder für mich. Einzigartig. Aber ... die Leute kaufen lieber günstigere Weine. Und weichere Weine. Und solche, die einfach so getrunken werden können, also ohne Lüftung und sowas alles."

"Man könnte meinen, die Netflixweine sind jetzt beliebter denn je ..."

... scherzte Oliver. Auf den fragenden Blick seiner Kompagnons erklärte er: "Die Art wie die Menschen heute Serien und Filme schauen, hat auch viel mit der Art und Weise gemeinsam, wie gegessen oder Wein getrunken wird. Alles muß schnell und direkt da sein. Keine lange Wartezeit bei Serien über mehrere Folgen. In Folge eins muß ich alles präsentiert bekommen, was ich wissen muß. Plus Action und Special-Effects. Sonst gucke ich nicht weiter. Ein herausfordernder Film mit Charakter-Entwicklung hat heute selten so gute Einschaltquoten wie ein einfacher Blockbuster."

"Also trinken die Menschen beim Fernseh-Gucken weniger Wein?" Carlo hatte ein großes Fragezeichen auf seiner Stirn. "Nein, es geht mehr um die Art der Weine. Netflix bietet seinen Streamingkunden sehr viel einfache Kost. Das verkauft sich am besten, wird lieber konumiert als komplizierte Dramen. Und beim Wein ist es ähnlich. Lieber ein Wein, der günstig ist und weich schmeckt, keine Säure hat und keine großen Ansprüche braucht." "Am besten noch aus dem Wasserglas!" fügte Pedro säuerlich hinzu.

"Na ja, ganz so schlimm ist es nicht. Seit Corona wurde noch nie so viel Geld in neue Küchen, Küchengeräte und auch Zubehör wie gute Weingläser investiert. Aber die Zeit und die Lust, einen Dekanter zum Belüften einzusetzen, haben heute immer weniger Weintrinker." "Terrible", stimmte Henri entrüstet zu, "ich sagte ja: es wird immer schlimmer!" Dabei winkte er mit dem leeren Weinglas aufgeregt in Richtung Bar, wobei einige Rotweintropfen auf seinem hellen Hemd landeten. Luigi besänftigte ihn schnell mit einem kräftigen Rotwein aus dem Bolgheri und Henri strahlte. "Und: die Leute haben deutlich weniger Geld in der Tasche." meinte Oliver. "Alles ist teurer geworden. Auch Wein. Da ist es nur nachvollziehbar, dass man sich nach bezahlbaren Alternativen umsieht - nichts gegen dich, Henri." Henri winkte ab und kaute den Rotwein.

"Macht Euch keine Gedanken. Primitivo geht immer!" meinte darauf Carlo etwas zu laut und schenkte sich großzügig Wein nach. "Stimmt schon. Primitivo trinken die Leute ja gerne und leider auch lieber als portugiesische Weine." meinte Pedro. "Sag ich doch. Primitivo passt immer, schmeckt immer und ist auch noch bezahlbar. Also egal wie die Frage ist, Primitivo ist die Antwort!" grinste Carlo und prostete der Runde zu.

"Ernsthaft? Ist der Zenith von Primitivo nicht vorbei?"

... erwiderte der Journalist nachdenklich. "In vielen Zeitschriften lese ich immer häufiger von Empfehlungen, die sich an alle richten, die Primitivo mögen, aber die etwas anderes als Primitivo suchen." Carlo machte ein betretenes Gesicht. "Nicht wirklich, oder?" Oliver zog sein Handy aus der Tasche und suchte nach einer Memo, die gerade ein paar Tage alt war. " Es geht um fruchtige oder fruchtbezogene Weine. Ähnlich wie Primitivo, aber aus anderen Regionen und Rebsorten."

"Sowas gibt es wirklich?" erwiderte Carlos ungläubig mit großen Augen. "Wie ein Trojanisches Pferd. Schmeckt wie Primitivo, ist aber keiner drin", murmelte er vor sich hin. Schon kam Luigi wieder heran mit einer großen Flasche Amarone. "Das hier ist ein passendes Beispiel." meinte Oliver und zeigte auf den Amarone. "Diese Weine aus getrockneten Trauben gibt es ja inzwischen aus den unterschiedlichsten Regionen, sogar Frankreich. Und dieser Markt wächst. Bestimmt nicht ohne Grund. Und nicht zu vergessen: die ganzen feinherben und halbtrockenen Weine. Hauptsache keine Säure. Trockene Charakterweine, wie auch zum Beispiel Riesling, haben es auch deshalb einfach zunehmend schwerer."

Ein kurzer Moment des Schweigens legte sich über die Runde. "Kein Primitivo mehr?" fragte Carlo kleinlaut über den Rand seines Glases hiweg. "Doch, bestimmt trinken die Menschen weiter deinen Primitivo," erwiderte Pedro, und Carlos Gesicht hellte sich wieder auf. "Aber vielleicht in neuen Cuvées. Und diese Superfrucht-Weine werden bestimmt immer mehr getrunken. Lieber als meine guten Touriga Nacional. Und lieber als deinen Bordeaux." meinte er mit einem Blick zu Henri.

"Irgendwann kommen sie wieder zu uns zurück. Die Jungen und die Wilden. Wenn sie alles fruchtige gekostet haben und nur einmal einen Château d´Armailhac im Glas hatten oder einen Saint Émilion Grand Cru, ja dann kommen sie bestimmt wieder zurück." sagte Henri und nahm einen großen Schluck. Doch dann riss er entsetzt die Augen auf.

 

"Mon dieu - was ist das? Wieviel Alkohol hat der?"

"Knapp 16%." erklärte Luigi knapp und schlenderte rasch wieder hinter die Theke, als hätte man gerade einen schlechten Witz über seine Krawatte gemacht. "Das ist die Wucht. Der Wein ist verdammt wuchtig, oder?" meinte Pedro. "Meine Weine kommen auch schnell an die 14,5 bis 15% heran. Es ist schwierig, den Alkohol tiefer zu bekommen. Das warme Klima ..."

"Und da gibt es immernoch Leute die behaupten, das Klima habe keinen Einfluss auf den Wein." meinte Oliver. "Dabei hat man heute sogar Erfolg mit Rebsorten in Regionen, die früher dort so gut wie kaum wachsen konnten. Cabernet und Syrah aus Deutschland, Vermentino in Südfrankreich. Pinot Noir und Merlot in Portugal. Und dann kommt die Sache mit dem Alkohol ..." Carlo gluckste. "Ja, ja, der Alkohol. Wir im Süden haben viel davon. Viel Alkohol. Aber wir hatten ja auch immer schon die gute Sonne. Und den Primitivo ..."

Henri nickte wild. "Früher hatte mein Bordeaux knapp mehr als 12%. Und heute? Mon dieu." Oliver drehte sein Glas in der Hand. Der Amarone verlieh seinen Gedanken Flügel. "Der Alkohol geht weiter und immer weiter nach oben. Aber ... die Menschen wollen doch weniger Alkhol. Sie trinken jetzt sogar viele alkoholfreie Weine." Erbost setzten sich Henri und Pedro auf. Carlo brauchte dafür zwei Anläufe. "Die schmecken doch nicht. Reden wir nicht davon. So ein Wein kann niemals einen Bordeaux ersetzen." "Oder einen ... Primi..." "Lass gut sein Carlo. Dein Primitivo Doppio Passo hat soviel Frucht, dass er locker mit so manchen Weinen ohne Alkohol mithalten kann." meinte Pedro.


"Alkohol ist inzwischen genauso ein Thema wie Bio und alle anderen Stoffe, die im Wein sind." meinte Oliver und lehnte sich geschafft zurück. Carlo begann plötzlich laut zu lachen. "Habt ihr schon gehört? Irgendwann soll es auf den Weinflaschen sogar Tabellen geben wie auf Butter, wo drausteht, was drin ist." Henri versuchte, ihm einen ernsten Blick zuzuwerfen, was aber dank des Amarone ein wenig misslang. "Irgendwann? Non. Dieses Jahr! Dieses Gesetz gibt es. Mon dieu, das wird ein Albtraum. Unser schöner Château Louvie mit einem Butter-Etikett auf der Rückseite."

 

"Also? Was machen wir?"

... fragte Pedro in die Runde. "Wir bringen Primitivo nach Bordeaux, bauen ihn alkoholfrei aus und machen bunte Etiketten drauf. Alle Probleme weg." meinte Carlo mit einer Handbewegung, die wohl alle Probleme vom Tisch wischen sollte. Allerdings verfehlte er nur knapp die leeren Weingläser. "Freunde, es wird ein aufregendes Jahr. Ich denke, es wird die Zeit, in der man auf der einen Seite Tradition wiederfindet, wie Riesling oder Bordeaux, und andererseits wird es sicher viele mutige Cuvées und Weine von jungen Winzern geben." Pedro erhob sein Glas. "Und die machen vielleicht noch mehr Primitivo-Weine, wo gar nicht Primitivo draufsteht." fügte Carlo leise hinzu.

 

Und ohne ein weiteres Wort prosteten sie sich ein letztes Mal zu.

 

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